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Kirsti
Da kommt eine junge Sängerin aus Norwegen hereingeschneit und hat mit ihren zumeist fröhlich-unbeschwerten Liedern auf Anhieb Erfolg im deutschen Schlagergeschäft. Nach ein paar Jahren ist sie plötzlich wieder von der Bildfläche verschwunden. Ihr Name: Kirsti Sparboe.
In Tromsoe, einer Stadt im Norden von Norwegen, die auch 'Tor zur Arktis' genannt wird, erblickt sie am 7. Dezember 1946 das Licht der Welt. Viel Abwechslung bietet das Leben hier nicht. Sommerfeste, Tanzabende und Familienfeiern bringen ein paar Farbtupfer in das ansonsten eher triste Einerlei. Kirsti, die schon als Kind sehr musikalisch ist und gerne singt, nutzt diese Anlässe zu ersten öffentlichen Auftritten. Nach der Schule absolviert sie eine kaufmännische Lehre, nimmt aber nebenbei weiterhin jede sich bietende Gelegenheit wahr, durch ihre gesanglichen Talente auf sich aufmerksam zu machen. Da sie inzwischen über ein umfangreiches Repertoire aus Schlagern, Volksliedern und Jazz verfügt und beim Publikum gut ankommt, kassiert sie bald schon die ersten Gagen.
Hin und wieder wird in der lokalen Presse über sie berichtet und dadurch kommt sie 1964 zu ihrer ersten Rundfunksendung. Daraufhin erhält sie sogleich einen Plattenvertrag und kann mit Frankie Boy und No Og For Alltid im Nu ihre ersten Hits verzeichnen.
Gerade mal achtzehn Jahre alt vertritt sie ihr Heimatland 1965 mit dem Lied Karusell beim Grand Prix de la Chanson in Neapel. Auch zwei Jahre später, als das Eurovisionsfestival in Wien stattfindet, ist sie wieder dabei, denn mittlerweile gehört sie zu den beliebtesten Sängerinnen Norwegens.
Norwegen gilt als Land der Fjorde und der taghellen Sommernächte, doch was das Unterhaltungsgeschäft anbelangt, ist der Markt eher klein und international gesehen ohne grosse Bedeutung. Zu den wichtigen Leuten der dortigen Musikszene gehört Arne Bendiksen, der selbst als Sänger erfolgreich war und nun dabei ist, sich einen Namen als Produzent und Manager zu machen. Er besitzt Kontakte zur deutschen Schlagerbranche und durch seine Vermittlung erhält Kirsti Sparboe 1968 einen Vertrag bei Telefunken. "Dieses Mädchen ist ausserordentlich begabt und hat das Zeug zum Publikumsliebling" sagt man sich dort und bemüht sich, ihr einen optimalen Start auf dem deutschen Plattenmarkt zu ermöglichen.
Zunächst einmal streicht man ihren Nachnamen und versucht dann, die Sängerin mit ein paar gezielten PR-Aktionen in der Presse zu lancieren. Dazu gehört der Gag mit dem Eisbären, der Kirsti bei ihrer Ankunft auf dem Hamburger Flughafen auf dem Rollfeld erwartet. Natürlich handelt es sich dabei um keinen echten. Es ist Fritz Bauer, ein Mitarbeiter der Plattenfirma, den man in ein Bärenkostüm gesteckt hat.
Für die Debüt-Single wählt man den rhythmischen Beatfox Du darfst nicht weinen aus, der aus der Schlagerwerkstatt des Autoren-Teams Henry Mayer und Georg Buschor stammt.
Kirsti wird dem deutschen Publikum im Mai 1968 von Chris Howland in dessen Sendung 'Musik aus Studio B' vorgestellt. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Bereits Anfang Juni hält die Aufnahme Einzug in die Charts, wird dort 7 Wochen lang notiert und klettert bis auf Platz 24.
Kirsti kann mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Die Plattenfirma ist es auch, zumal sich die nächste Single ebenfalls gut verkauft.
Auch in der DDR wird man auf die muntere Norwegerin aufmerksam. Mit dem von Jürgen Hermann geschriebenen und recht anspruchsvoll daherkommenden Lied Zwei Augen, das auf Amiga veröffentlicht wird, gibt sie dort noch im selben Jahr ihre musikalische Visitenkarte ab.
Ihren grössten Erfolg hat Kirsti im Jahre 1969 mit dem Titel Ein Student aus Uppsala. Die frisch-fröhliche Nummer mit der einprägsamen Melodie ist für sie wie massgeschneidert. Wirbelsturmartig erobert sie damit sämtliche Hitparaden. 12 Wochen lang kann sich dieser Ohrwurm in den offiziellen Verkaufcharts halten und erreicht als höchste Notierung Rang 15. In der ‘Bravo-Musicbox’ rückt Kirsti auf Platz 11 vor. Obendrein präsentiert sie den Song in der ZDF-Hitpararade. Diese Sendung spielt damals in Schlagerkreisen eine wichtige Rolle und Auftritte waren bei den Interpreten heiss umkämpft.
Daheim ist sie mindestens ebenso gefragt und startet 1969 zum dritten Mal für Norwegen beim Grand Prix, der in diesem Jahr in Madrid ausgetragen wird.
Diesmal singt sie eine Komposition von Arne Bendiksen mit dem leicht zu merkenden Titel Oj, Oj, Oj. Obwohl dieses schwungvolle Liedchen bei den internationalen Juroren durchfällt - selbst aus Deutschland gibt es dafür keine Punkte - landet sie damit in Norwegen einen weiteren Treffer.
Ja, der Grand Prix...
1970 gehört Kirsti zu den 6 Interpreten, die sich in der deutschen Vorausscheidung 'Ein Lied für Amsterdam' um die Teilnahme am inzwischen nicht mehr ganz unumstrittenen europäischen Schlagerwettstreit bewerben.
Am 16. Februar um 21.00 Uhr geht diese Sendung aus dem Fernsehstudio des Hessischen Rundfunks in Frankfurt über den Bildschirm. Neben Kirsti beteiligen sich Katja Ebstein, Mary Roos, Roberto Blanco, Peter Beil und Reiner Schöne an dieser Konkurrenz. Kirsti wird mit dem von Drafi Deutscher komponierten Titel Pierre der Clochard ins Rennen geschickt, kann sich jedoch nicht für die Endrunde qualifizieren. Die Fahrkarte nach Amsterdam holt sich Katja Ebstein. Sie belohnt die in sie gesetzten Erwartungen dann mit einem dritten Platz.
Pierre der Clochard wird von Kirstis Plattenfirma kurzerhand als B-Seite veröffentlicht. Als A-Titel präsentiert sie statt dessen mit Es ist alles gut eine Mitklatschnummer nach altbewährtem Muster. Prompt landet sie damit wieder in der ZDF-Hitparade und auch in den Musikpublikationen erhält die Aufnahme gute Noten: “Dies ist Kirstis bisher beste Platte. Der schnelle Marsch-Beat lebt vom Refrain. Es ist alles gut, was man aus Liebe tut. Damit könnte das kesse Schlagergirl wieder einen Hit landen“. Der Sprung in die Bestsellerlisten gelingt ihr mit dieser Platte jedoch nicht.
Auch beim 'Deutschen Schlagerwettbewerb' soll Kirsti 1970 an den Start gehen und wieder hat sie Pech. Das Lied, das man für sie ausgesucht hat, wird vom ZDF, das die Veranstaltung mitorganisiert und überträgt, abgelehnt.
Darüber ist Kirsti nicht einmal besonders traurig. Sie ist viel lieber zuhause in Norwegen bei Töchterchen Christine und Ehemann Benny Borg. Auch er ist in Skandinavien ein bekannter Schlagerstar und steuert - bei derselben Firma wie Kirsti unter Vertrag - gleichfalls eine Plattenkarriere in Deutschland an, kann sich bei uns jedoch nicht durchsetzen.
Nach und nach zieht sich Kirsti aus der deutschen Musikszene zurück. Sie bringt zwar in regelmässigen Abständen neue Singles heraus, doch umsatzmässig kann sie damit nicht an ihre früheren Erfolg anknüpfen.
Ihre Fans in Norwegen halten ihr dagegen noch jahrelang die Treue. Dort besingt sie weiterhin Platten, einige davon im Duett mit Benny Borg, von dem sie sich später jedoch trennt.
In den vergangenen Jahren hat sie sich zu einer anerkannten Theaterschauspielerin entwickelt und kann vor allem in komödiantischen Rollen Publikum und Presse überzeugen.
WALTER HILBRECHT
Siegen im November 1997
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