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Tassilo - Bruno Ganz, Charles Brauer & Axel Milberg

„Nach einer Vorlage von Martin Walser"

Wie Tassilo S. Grübel ins Fernsehen kam

Einer (oder eine?) hat das Textbuch nicht zurückgegeben. Dabei ist ausdrücklich auf Seite 2 vermerkt, dass das Manuskript Eigentum der West-Film GmbH & Co. KG ist. „Eine Weitergabe an Dritte ist nur mit Genehmigung der Produktion gestattet. Das Dreh-buch ist nach Produktionsende an die Produktion zuruckzugeben." Trotzdem tauchte das Manuskript, datiert 10.10.1988, bei einem Online-Antiquariat auf. „Die Abenteuer des Tassilo S. Gruber, offenbar der Arbeitstitel der Serie, von Martin Walser, steht auf dem Deckblatt, und dann wird prazisiert: Drehbuch: Hermann Naber. Bearbeitung: Martin Walser und Hajo Gies. Drehfassung: Hartmut Grund. Da deutet rich bereits an: Ganz aus einem Guss war die Sache nicht.

Eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Hier zunächst die einfache Version: Aus sechs Hörspielen wurde eine sechsteilige Fernsehserie.

Den eigenwilligen und unorthodoxen Detektiv Tassilo S. Grübel erfand Walser 1974 für sein Hörspiel „Die Verteidigung von Friedrichshafen". Da gibt es eine Marktlücke - „eine Menge schwerreicher Leute rund um diesen See und noch kein richtiges Detektivbüro" -, die er zu nutzen gedenkt. Doch die Bodensee-Anrainer müssen erst merken, dass sie ihn brauchen. „Tassilo hat erkannt, dass in allen Branchen Bedürfnisweckung eine immer größere Rolle spielt", beschreibt Walser die Grundidee. „Wie wichtig ein Detektiv ist, begreifen die Leute erst, wenn man ein bisschen Gefahr produziert." Und so inszeniert Tassilo mit Hilfe seines Freunds Hugo - jeder Sherlock Holmes braucht einen Dr. Watson - eine Bedrohung. Die Erpresserbande tritt ganz geschäftsmäßig auf: „Cyclops Gotham, Inc." steht auf dem Briefkopf - gebildete Gangster: die Zyklopen der griechischen Antike werden verbunden mit dem amerikanischen Trivialmythos Batman, war Gotham City doch seine Wirkungsstätte und verwiesen wird auf internationale Referenzen. Schon die Namen - das Unternehmer-Ekel James Blickle, Georg Feuerstein, das „Nachwuchsunternehmerchen", Mia von Mufflings und Baron Oschatz-Totensen - verraten, dass der Autor die Boden-see-Gesellschaft ironisch aufs Korn nahm. Im Hörspiel, einer Produktion von WDR/SWF/BR, sprachen Wolfgang Reichmann Tassilo, Sabine Sinjen Biddie und Susi Nicoletti Tassilos Mutter.

An eine Reihe oder gar eine Serie hatte Walser nicht gedacht, aber das Figurenensemble und das Bodensee-Setting machten dem Autor offenkundig so viel SpaI3, dass er im nachsten Jahr wieder ein Hörspiel schrieb: „Lindauer Pieta". Die Besetzung des ersten Hörspiels stand nicht mehr zur Verfugung; diesmal sprachen Heinz Meier und Ricarda Benndorf Tassilo und Biddie; Lina Carstens war Tassilos Mutter, und in der Episodenrolle Maximiliane Metzger-Fürst horte man Brigitte Horney. 1978 folgte „Santis". Regie führte ein Filmemacher: Alf Brustellin. Er konnte lauter Prominenz engagieren: Joseph Bierbichter als Tassilo, Maria Singer als dessen Mutter, in Nebenrollen Franziska Walser und Edgar Selge, dazu Ilse Page und Karl Lieffen. Nach knapp zehnjähriger Pause kamen in rascher Folge „Das Gespenst von Gattnau" (1987), „Hilfe kommt aus Bregenz" (1988) und „Zorn einer Göttin" (1989). In den beiden letztgenannten Hörspielen wurde Hugo gesprochen von Charles Brauer, der in der Fernsehserie James Blickle verkörperte.

Noch bevor das letzte der sechs „Tassilo"-Hörspiele gesendet wurde, lagen die ersten Drehbücher zur TV-Adaption vor. Walser diese Arbeit Hermann Naber, einem renommierten Hörspieldramaturg und -regisseur, 1965-1998 Leiter der Hörspielabteilung des SWF. „Ich finde es fast unappetitlich, sich selber zu bearbeiten", erklärte Walser. „Diese Vorstellung ist lahmend, die erweckt so gar keinen Arbeitstrieb. Man will ja immer das erhalten, was man schon gemacht hat." Von ihm waren schon mehrere Romane verfilmt worden, auch hatte er verschiedentlich an Drehbüchern mitgearbeitet; „die Ergebnisse dieser Umsetzung von mehreren Hörspielen in mehrere Fernsehfilme" fand er „insgesamt, verglichen mit früheren Erfahrungen, erträglich bis befriedigend bis angenehm". Wie die TV-Leute mit anderer Leuten Texten umgehen, drüber habe ein Autor sich nicht zu beklagen. „Wenn er einem anderen Darstellungsmedium seine Stoffe überlasst, dann verkauft er die Rechte, dann hat er die Rechte nicht mehr. Das ist nicht nur eine finanzielle Aktion, das ist auch eine ästhetische Aktion. Dafür, dass er Geld kriegt, begibt er sich des Rechts der Bestimmung. Natürlich führt man ihm das Produkt noch vor, natürlich habe ich auch gesagt, ich mochte die Drehbücher lesen, ich mochte vor allem die Dialoge überarbeiten. An den Dialogen habe ich bis zum Schluss mitgearbeitet." Für alles andere übernahm er keine Verantwortung.

Am vierten Advent 1990 lud das ZDF ins vornehme Münchner Hilton-Hotel ein: Pressevorführung in Anwesenheit von Martin Walser und Bruno Ganz. Allgemeines Wohlgefallen breitete sich, einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" zufolge, an diesem Fernsehnachmittag im Salon Dürer aus, bis es plötzlich zu einem Eklat kam. Der Autor störte sich daran, dass es im Vorspann nicht hieß „Nach einem Hörspiel von Martin Walser", sondern „Nach einer Vorlage von ...". Auch Literaturgattungen haben ein Renommee: „Nach einem Roman" wäre gut gewesen, „Nach einem Theaterstück" wäre auch noch gegangen, aber ein Film „Nach einem Hörspiel" ... die Fernsehmacher glaubten, damit sich bei den Zuschauern lächerlich zu machen. „Etikettenschwindel" schimpfte Walser. Als dann der Vertreter des ZDF noch erklärte, dass man die Krimiserie nicht zur Hauptsendezeit urn 20.15 Uhr, sondern eine Stunde später ausstrahlen würde, dass die Quotenerwartung bei 16 Prozent liege und die Dialoglastigkeit der Serie sich erkläre aus der literarischen Herkunft, protestierte Walser heftig und verteidigte „die liebe Schwester Hörspiel" gegen den übergriffigen Bruder Fernsehen.

Rechtzeitig zum Ausstrahlungsbeginn von „Tassilo - Ein Fall für sich" (ab 17. Februar 1991, jeweils sonntags) lagen die sechs Folgen als Suhrkamp-Taschenbuch vor. Auf dem Umschlag immer ein Filmfoto, gedruckt wurde jedoch der Hörspieltext und am Schluss gab es Sendedaten und Besetzung des Hörspiels, nicht etwa die Credits des Fernsehfilms. Der Verlag versuchte einen kuriosen Spagat: Einerseits wollte man dem Wunsch des Autors genügen, der sein Werk und nicht die Bearbeitung gedruckt sehen wollte, andererseits wollte man vom Fernsehen profitieren. Auf dem Umschlag von fünf Büchern platzierte man einen sog. „Störer": Schräg in der unteren rechten Ecke stand „Tassilo - Ein Fall für sich. Jetzt im ZDF". Auf dem sechsten Band „Tassilo: Santis" fehlt dieser Hinweis. Und das Filmfoto auf dem Umschlag zeigt einen Tassilo, der nicht einmal entfernt nach Bruno Ganz aussieht.

Sechs Tassilo-Hörspiele hat Walser geschrieben, aber der sechste Film der Fernsehserie basiert nicht auf einem Stuck von ihm. Fiir das Drehbuch zu „100 Jahre Blickle" zeichnet nicht Hermann Naber verantwortlich, sondern der Cutter der Serie: Drehbuch Rolf Basedow, „nach Figuren von Martin Walser" heißt es abweichend in den Credits. Diese letzte Folge hat einen etwas anderen Tonfall, von der albernen Maskerade Tassilos ganz abgesehen. Doch warum wurde Walsers Hörspiel „Santis" nicht als Schlussstein far die Mini-Serie verfilmt?

Weil es fünf Jahre zuvor bereits verfilmt wurde. In der Reihe „Alles aus Liebe" zeigte das ZDF am 24. August 1986 „Santis", Regie Rainer Boldt, mit Vitus Zeplichal als Tassilo, Ilse Hofmann, Gunnar Moller und Hellmuth Karasek, der einen Kritiker mimte. Das Drehbuch verfasste schon damals Hermann Naber. Der eigenwillige Privatdetektiv - „ein Exzentriker seines Fachs, der seine Observationsberichte zu literarischen Texten macht", notierte ein Kritiker - kam beim Fernsehpublikum wie bei der Kritik gut an. „Bitte nicht ganz ernst nehmen, stand unsichtbar über jeder Szene und auch über der Sprache, die sanft gestelztes Pathos mit Alltagssätzen konstatierte", meinte das „Hamburger Abendblatt". Der Journalist gab sich kenntnisreich: „Der Film übertrug beachtlich viel aus der ursprünglichen Erzahlung in das Fernsehmedium". Nur, dass es gar keine Erzahlung dieses Titels von Walser gibt, sondern lediglich ein Hörspiel. Das Presseecho auf die Serie „Tassilo - Ein Fall für sich" war gemischt. Walser, das war ein Fall fürs Feuilleton, und entsprechend humorlos nahmen sich die Rezensenten der Sache an...

Auszug aus BVD20115

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