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Jeanne Moreau

Als Jean Moreau (1878–1952), der Chansonnier des Berliner “Chat noir”, im Jahre 1910 “Made in Germany”, einen seiner populären Brettl-Schlager, für die Schallplatte aufnimmt, läßt er sich von einem Kabarettkollegen ansagen, der im Nelson-Kabarett für die Conference zuständig ist. Es ist Fritz Grünbaum (1880–1941), der schmächtige, kleine, feinsinnige Kabarettist aus Wien, den Nelson aus der dortigen “Hölle” losgeeist und an die Spree engagiert hat. Der ausgebildete Jurist gilt als brillanter Chansontexter, er beherrscht die geistreiche Plauderei, seine Stärke liegt in spontanem Witz, sprudelndem Einfallsreichtum, charmanter Boshaftigkeit und blitzender Ironie. Er hat auch zu “Made in Germany” den Text geschrieben.

Da ist augenzwinkernd von deutscher Wertarbeit die Rede, die sich auch an der Liebe und deren Erzeugnissen festmachen läßt. Nun präsentiert Grünbaum sein Kleinkunststück und sagt Chanson und Interpret schwungvoll an: “Meine sehr verehrten Herrschaften! Wir wollen Ihnen heute ein Klein­- kunst-Programm vorführen und Sie mit einigen Gedichten und Chansons des Cabarets ‘Chat noir’ bekannt machen. Es ist alles getränkt und durchzogen von der im Cabaret mit so heißen Sehnsüchten erwarteten Schlüpfrigkeiten und Indezenz, das heißt, soweit es die Zensur gestattet.

Und das ist nicht eben viel. Weshalb wir von vornherein um Entschuldigung bitten müssen, falls unsere Darbietungen hie und da wider Ihr Erwarten ein wenig zu wenig unanständig sein sollten. Sämtliche Kompositionen stammen von unserem Tyrannen und Direktor Rudolf Nelson, der die Gesangs­vorträge auch selbst am Flügel begleitet, während die meisten Texte aus der namhaften Feder Fritz Grünbaums – das bin nämlich ich - herrühren. Mit einem Vortrag unseres ersten Chansonniers Jean Moreau beginnen wir unsere Darbietungen. Ich selbst aber wünsche Ihnen zum fröhlichen Spiel die fröhlichste Laune.”

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Die sogenannte feine Gesellschaft, auf die Rudolf Nelsons Kabarett “Roland von Berlin” setzte, mag das Kabarettistische gern augenzwinkernd und ein bißchen anzüglich – Tucholsky brachte das kurz und bündig auf einen Nenner: “Konstatierung der Existenz des außerehelichen Geschlechtsverkehrs”.

Nelson wußte solche Ansprüche perfekt zu bedienen. Exemplarisch dafür ist das Chanson vom “Ladenmädel”, das sich im Separée langsam entblättert: “Erst kamen die Blusen und Kleider und dann die Jupons voller Plis, darauf die Dessous undsoweiter, und dann, und dann – kam sie ...” Paul Schneider-Duncker (1883–1956) hatte das schlüpfrige Chanson 1904 aus der Taufe gehoben. Es bleibt auch bei Nelson im Programm, als der sich drei Jahre später von seinem Kabarett-Partner trennt und mit dem “Chat noir” sein eigenes Kabarett aufmacht. Nun singt Jean Moreau (1878–1952) das Ladenmädel-Lied, der vom Montmartre nach Berlin gekommen war. Wie schon der “Roland”, gab auch Nelsons schwarzer Kater brav Pfötchen, wenn es um allerhöchste Bedürfnisse geht, wie damals im Herbst 1908, als Kaiser Wilhelm ein gehöriges Formtief hatte.

Es gab damals ziemlichen Wirbel um ein Interview, in dem Wilhelm II. großmäulig die Engländer als “tolle Märzhasen” bezeichnet und damit eine internationale Krise ausgelöst hatte; im Reichstag diskutierte man sogar darüber, ob man den unbeherrschten Herrscher entmündigen solle. In dieser desolaten Lage sucht der deutsche Kaiser Trost bei Fürst Max im entlegenen Donaueschingen. Um der miesen Stimmung Seiner Majestät wieder Herr zu werden, ruft man dort nach Rudolf Nelson und seinem Berliner Kabarett-Team, das prompt angereist kommt. Nelson, der Duz-Freund des Kronprinzen, zieht alle Register seiner Kleinkunst. Er setzt sich ans fürstliche Piano und intoniert seine kabarettistische Allzweckwaffe: Das “Ladenmädel”. Der musikalische Muntermacher zeigt Wirkung: Seine Majestät ist amüsiert. Das Chanson muß gleich fünfmal wiederholt werden.

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